Warum Energietechnik?
Motivation
Eine der größten Herausforderungen der heutigen Zeit stellt der stetig steigende globale Energiebedarf bei gleichzeitig immer knapper werdenden fossilen Energieträgern dar. Für sämtliche zukünftige gesellschaftliche und technologische Entwicklungen muss dieser Zielkonflikt berücksichtigt werden. Der weltweite Primärenergiebedarf wird auch in Zukunft vor dem Hintergrund einer weiter wachsenden Weltbevölkerung sowie der fortschreitenden Technisierung der Welt steigen. (Abbildung 1) zeigt eine mögliche Prognose für den Anstieg des globalen Primärenergiebedarfs. Vor diesem Hintergrund wird eine Verdoppelung des Energiebedarfs bis zum Jahr 2050 für realistisch gehalten. Hervorzuheben ist hier der voraussichtliche weitere Anstieg der erneuerbaren Energien.
Trotz der begrenzten fossilen Energieträger muss der steigende Energiebedarf gedeckt werden. Wie in (Abbildung 2) zu erkennen reichen die vorhandenen Reserven bei derzeitigem Verbrauch noch einige Jahrzehnte. Eine genaue Reichweitenabschätzung anhand der Reserven und der bekannten Ressourcen ist jedoch sehr komplex, da zukünftige Rohstoffpreise und Technologien über die Wirtschaftlichkeit der Förderung und Aufbereitung entscheiden werden. Dennoch ist bereits heute absehbar, dass konventionelle Energieträger binnen weniger Jahrzehnte vollständig ersetzt werden müssen. Politisch festgelegte Rahmenbedingungen zur Erreichung der Emissions- und Klimaziele forcieren dabei eine vorzeitige Abkehr von CO2-intensiven Energiequellen.
Während der globale Energiebedarf nach aktuellen Schätzungen auch in absehbarer Zeit weiter zunehmen wird, zeigt (Abbildung 3) anschaulich, dass stetige technologische Weiterentwicklungen und Wirkungsgradsteigerungen für die Bundesrepublik Deutschland zu einer Reduktion des Primärenergieverbrauchs beigetragen haben.
Gleichzeitig zeigt die Grafik eine der zentralen Herausforderungen, denen der Energieversorgungssektor begegnen muss, auf. Die Aufteilung der verbrauchten Gesamtenergie auf die verschiedenen Energieträger, der sogenannte Energieträgermix, hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Während konventionelle fossile Energiequellen wie Erdöl, Steinkohle, Braunkohle und Kernenergie an Bedeutung verlieren, ist ein beträchtlicher Anstieg der erneuerbaren Energieformen zu verzeichnen.
Besonders drastisch herausgestellt werden die zu erwartenden Herausforderungen der Energietechnik, wenn die tatsächlichen Entwicklungen des Primärenergieverbrauchs den politischen Zielen gegenübergestellt werden (Abbildung 4). Gemäß der Energieeffizienzstrategie 2050 wird eine Senkung des Primärenergieverbrauchs bis zum Jahr 2050 um 50 % gegenüber 2008 anvisiert.
Neben den Problemen des steigenden Energiebedarfs und der schwindenden Energierohstoffe, insbesondere auf fossiler Basis, gewinnen Aspekte des Umweltschutzes zunehmend an Bedeutung. Ein besonderes Augenmerk ist hierbei auf die globale Erderwärmung zu legen, welche durch das bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entstehende CO2 mit verursacht wird. Um die bereits heute definierten Zielsetzungen zu erreichen, müssen umfangreiche Anstrengungen zur Entwicklung neuer Methoden und Energiesysteme unternommen werden.
Ziele der Energietechnik
Die bisherigen Betrachtungen sowie aktuelle Entwicklungen verdeutlichen, dass es in den nächsten Jahrzehnten zu erheblichen Herausforderungen und Umbrüchen im Bereich der Energieversorgung kommen wird. Die angestrebte Umsetzung der Energiewende geht mit einer drastischen Veränderung der Rahmenbedingungen im Energiesektor einher, aus denen sich eine Reihe von Zielkonflikten ableiten lassen.
Der steigende Energiebedarf bei gleichzeitig schwindenden Rohstoffen legt der Energietechnik drei wichtige Zukunftsaufgaben auf, die in (Abbildung 5) dargestellt sind.
Aus diesen Aufgaben ergeben sich wiederum unmittelbar die Zielsetzungen der Energietechnik und somit die Ziele des Studiums der Energietechnik. Hierzu zählen zum einen die Verbesserung bestehender Energieumwandlungsverfahren und zum anderen die Entwicklung neuer Technologien der Energieerzeugung und -umwandlung.
Als Kernpunkt der Verbesserung der bestehenden Energieumwandlungsverfahren ist die Effizienzsteigerung der dazugehörigen Anlagen und Maschinen, der Energiesystemtechnik sowie der eigentlichen Umwandlungsverfahren anzusehen. Wie (Abbildung 6) verdeutlicht, bieten die Umwandlungsverluste sowie die Verluste beim Endverbraucher ein großes Potential zur Steigerung der effizienten Ausnutzung der bereitgestellten Energie.
Neben der Effizienzsteigerung von bestehenden Systemen ist die Entwicklung neuer Energieumwandlungsverfahren von Bedeutung. Dies soll u.a. auf der Grundlage von erneuerbaren Energieträgern umgesetzt werden, um technisch ausgereifte und wirtschaftlich vertretbare Alternativen zur Ressourcenschonung bereitstellen zu können. Hierzu zählen die Nutzung von Solar- und Windenergie sowie die Nutzung von Biomasse zur Reduktion des CO2-Ausstoßes.
Bereits seit dem Jahr 2007 wird im Exzellenzcluster „Tailor-Made Fuels from Biomass“ (TMFB) intensiv an der Erzeugung und Nutzung von alternativen, maßgeschneiderten Kraftstoffen auf der Basis von Biomasse geforscht. Aufbauend auf den bereits vielversprechenden Erkenntnissen der ersten beiden Förderperioden, wurde im Jahr 2019 der neu gestartete Exzellenzcluster „The Fuel Science Center – Adaptive Conversion Systems for Renewable Energy and Carbon Sources“ der RWTH Aachen ins Leben gerufen. Mit diesem interdisziplinären Forschungsansatz wird die Basis für die integrierte Umwandlung von erneuerbarer Elektrizität mit biomassebasierten Rohstoffen und CO2 zu flüssigen Energieträgern mit hoher Energiedichte („Bio-hybrid Fuels“) geschaffen.
Insbesondere die Zielsetzung, Methoden und Produktionsrouten zur Erzeugung und Nutzung von insgesamt CO2-neutralen Kraftstoffen zu entwickeln, wird von einem Forscherteam bestehend aus Natur-, Ingenieur- und Sozialwissenschaften verfolgt.
Arbeitsgebiete
Die Energietechnik bietet eine enorme Vielfalt an Arbeitsgebieten und damit großes Potential für angehende Ingenieure. Von der Grundversorgung, der Erzeugung und Wandlung der für uns nutzbaren Energie, bis hin zu Energiespeichern und den Energieverbrauchern eröffnet sich ein extrem weites Feld aus möglichen Forschungs- und Arbeitsgebieten. Dies äußert sich nicht nur in der Vielzahl an Instituten, Professuren und wissenschaftlichen Mitarbeitern im Bereich Energietechnik, sondern auch in einem hohen wirtschaftlichen Interesse und dahingehend hervorragenden Berufsaussichten im internationalen Arbeitsmarkt.
In Zeiten von Klimawandel und einer gleichzeitig weltweit fortschreitenden Entwicklung im Energiebedarf wächst zudem die Bedeutung aller Sparten der Energietechnik stetig, sodass sowohl aktuell als auch zukünftig gut ausgebildete Ingenieure aus den Bereichen der Energietechnik stark gefragt sind.